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Nashville – kleines Country-Nest oder ein zweites Las Vegas?

Unser nächstes Ziel: Nashville! Viele haben uns gesagt, dass das ein Städtchen ist, dass man unbedingt gesehen haben muss. Viele Country Sänger werden hier „entdeckt“, was den Charme dieser Stadt ausmacht. In unserem Kopf ist es ein verschlafenes Nest, mit vielen kleinen Bars mit Country Musik und Line Dance. Und natürlich Amerikanern mit Cowboyhut und Cowboystiefeln! Also, da wollen wir hin!

Auf der Fahrt kann ich es mir nicht verkneifen beim Überfahren der Grenze aufzuschreien: „ Toto, I guess we are not in Kansas anymore!“ Muss man mal gemacht haben, kann ich also von der „bucket list“ streichen. Ein Schild am Strassenrand mit einer Kutsche amüsiert uns – wer fährt denn mit einer Kutsche auf der Autobahn? Bis wir dann kurz danach eine sehen – ah, Missouri ist wohl auch ein Staat mit vielen Amish. Finde ich ja superinteressant, würde mich zu gerne mit einer Amish Familie unterhalten um zu verstehen, wie diese Menschen leben. Wir fahren ja noch durch Pennsylvania, das ist der Staat mit der höchsten Konzentration, mal sehen, ob ich da auskunftsfreudige Amish treffe!

Wir fahren durch eine kleine Ecke von Ilinois. An der Tankstelle sehen wir ein Pärchen, das mit großen Augen unseren Van anschaut – das sind wir mittlerweilen gewöhnt, ist für die konservativen Staaten doch ein ungewöhnlicher Anblick – und dann begeistert zu uns gelaufen kommt, als er das große Rotary Zeichen sieht. Wir haben das „superhero-Cap“ (siehe Blog Rotary Club Derby) auf unserer Ablage drapiert. Er „outet“ sich als Rotarier und freut sich, uns zu treffen.  Das war auch schon alles was wir über Ilinois sagen können, denn dann sind wir schon in Kentucky.

Das erste, was uns in den Kopf schiesst ist: „Wo ist der nächste KFC?“. Aber jetzt wollen wir ja erstmal in das Städtle um ein wenig entspannt Country zu hören. Wir nähern uns der Stadt, der Verkehr nimmt zu, die Spuren auch. Mmh, ist wohl doch kein kleines Städtchen. Wir parken und laufen in einer Menschenmasse in die Innenstadt. Die Stadt ist eine Partystadt, unzählige Junggesellenabschiede, tausende Menschen, unzählige Bars und viel laute Musik. Wir sind erstmal komplett überfordert. Erstmal essen und Lage checken. Wir erhalten eine Empfehlung der Bedienung für eine Country Bar, die bei den locals beliebt sein soll. Wunderbar. Die Band ist wirklich gut, aber…. zu laut. Irgendwann habe ich mal gehört: Ist die Musik zu laut, bist du zu alt. Aber das kann natürlich nicht auf uns zutreffen. Ich denke einfach, das war wirklich zu laut. So. Wir verziehen uns wieder auf einen nahegelegenen Walmart und geniessen die Stille…

Mammoth Cave National Park – neue Ausrüstung, hinterlistige Fische, eine Zeckenplage und der gar nicht giftige Poison Ivy oder: ein totaler Reinfall

Nachdem wir nun schon ein paar Wanderkilometer hinter uns haben, wollen wir die zweite Hälfte doch mit etwas leichterem Gepäck angehen. Wir gönnen uns neue Rucksäcke und neues Zelt. Pro Rucksack sparen wir uns 2 kg Leergewicht: 20 Tafeln Schokolade!!! Juhu! In einem nahegelegenen Nationalpark wollen wir gleich mal ausprobieren, wie sich das so anfühlt. Der Mammoth Cave Nationalpark liegt quasi auf dem Weg, den nehmen wir! Auf dem Weg probieren wir noch ein weiteres Fast Food Restaurant aus, das es hier überall zu geben scheint: Waffle House. Ich freu mich schon auf viele leckere, fluffige Waffeln. Beim eintreten fühle ich mich wie in einen Hollywood Streifen versetzt. Die typischen Sitzecken, Kellnerinnen die mit Kaffekannen zum wiederauffüllen der Tassen herumlaufen und ein etwas abgehalftertes Flair. Auf der Karte findet man relativ wenig Waffeln, hier kann man alles essen. Aber es gibt Waffel oder Double Waffel. Ich bestelle mal die „double waffle“, bin schon gespannt, was das wohl besonderes ist. Ist gar nichts magisches, sind einfach zwei Waffeln. Gottseidank rät mir die Bedienung davon ab, ich sehe wohl nicht so aus, als ob ich zwei verdrücken könnte. Dafür nehme ich noch Choclate Chips als Zusatz, yamyam. Was soll ich erzählen, das war so papp-süß, das ich wirklich nicht mal eine Waffel essen konnte. Grosse Enttäuschung! Nach diesem nicht so gelungenen Halt weiter zum Nationalpark.

Wieder braucht man pro Übernachtung eine Permit, der Platz, den wir uns ausgesucht hatten, ist schon besetzt und erst für morgen verfügbar. Aber es gibt eine kleine Wanderung, 7km zu einem freien Spot. Das hört sich prima an! Es ist zwar schon 15.00 Uhr und bis zum Parkplatz fährt man noch 50 Minuten, aber die paar Kilometer können wir dann noch laufen. Toll! Für die zweite Nacht buchen wir einen Platz direkt an einem See in dem man Angeln kann. Perfekt! Auf dem Weg zum Trail Einstieg wird das Wetter immer bedrohlicher. Es wird doch wohl nicht stürmen? Gerade als wir den Parkplatz erreichen fängt es an zu schütten. Na toll… Wir spielen noch kurz mit dem Gedanken einfach loszulaufen, als es, wie zur Antwort, noch heftiger schüttet. Ok, entschieden, wir übernachten einfach hier. Haben ja alles! Wir machen es uns gemütlich und nach einiger Zeit hört es sogar auf zu regnen. Zeit mal ein wenig herumzuschauen. Wir finden eine Pflanze, die laut App Poison Ivy ist. Mmh, so sieht das also aus, soll übel jucken. Das weckt jetzt die Neugier von Heiko. Ob das wirklich so schlimm ist? Und eh ich mich versehe, hat er sich schon mit dem Blatt beschmiert, grinst mich an und sagt, juckt noch gar nicht!!! Während ich mir schon ausmale, wie ich mit dem grossen Van wieder raus aus dem Wald zum nächsten Notarzt rase, erfreut sich Heiko an der eingeriebenen Stelle. Zu meiner Erleichterung und seiner doch spürbaren Enttäuschung sieht man auch nach 15 Minuten nichts. Google erklärt, dass 15% der Menschen gar nicht auf Poison Ivy reagieren. Also entweder war es kein Poison Ivy oder Heiko gehört zu dieser Gruppe. Was glaubt ihr, wie Heiko herausfinden wollte, welche der Optionen die richtige ist? Richtig! Er versuchte mich zu überzeugen, mir ebenfalls hochgiftige Pflanzenteile auf die Haut zu schmieren, aber nicht mit mir!! So bleibt die Neugierde unbefriedigt und wir widmen uns unserer Abendbeschäftigung: mit lecker Wein auf Campingstühlen sitzen und Glühwürmchen beobachten. Total friedlich!

Am nächsten Morgen machen wir uns auf zu einer kurzen Wanderung zu dem Seeplatz. Erster Test der Rucksäcke ist sehr vielversprechend! Zu unserer Enttäuschung ist der Platz und auch der See nicht wirklich schön. Lädt auch nicht zum campen ein. Nichtsdestotrotz bleiben wir erstmal hier, mal sehen, ob Heiko etwas angeln kann. Während Heiko angelt, fröhne ich meiner Zeckenphobie. In diesem Wald herrscht tatsächlich eine Zeckenplage und bis mittags habe ich bereits 5 der Viecher von mir geklaubt. Gottseidank hatte noch keine gebissen. In der Broschüre zu dem Nationalpark steht sogar, dass dieses Gebiet für Borreliose und „Mountain Spring Fever“ (was auch immer das ist) bekannt ist, na toll – mehr Futter für meine Phobie. Heiko angelt nur Gras und versenkt dann noch einen Blinker. Es gibt viel Fisch in dem See, man sieht sie überall, aber anbeissen möchten sie nicht. Ich bin froh, als Heiko entnervt aufgiebt und auch keine Lust verspürt, hier wirklich zu campen. Wir laufen wieder zum Auto und suchen uns einen Campingplatz – genug Natur für heute! Ich finde einen Campingplatz mit See zum Angeln ausserhalb des Zecken-Gefahrgebietes und nach einer Dusche, mit dem Steak auf dem Grill sind wir schnell wieder happy!

Lynchburg, Tennessee: Der Unterschied zwischen Bourbon und Tennessee Whiskey und ein wirklich leckerer Single Barrel von Jack Daniels

Selbstverständlich bauen wir die Jack Daniels Destillerie in unsere Reise ein – wenn wir schonmal da sind… Für mich hat das zwar immer die Assoziation mit Kopfweh und billigem Party-Getränk, aber ich lasse mich ja gerne vom Gegenteil überzeugen. Und das werde ich tatsächlich! Alle Jack Daniels für den weltweiten Verbrauch werden in dieser kleinen Destillerie in Lynchburg hergestellt. Tennessee ist ein „dry state“, paradox, wenn man bedenkt, dass Jack Daniels zu einem der meistverbreitesten Whiskey für die Massen gehört. Gerne auch als Mixgetränk mit Cola getrunken.

Wir buchen eine Führung mit Verkostung (war ja klar) und los gehts! Hier mal ein paar Fakts, die euch helfen, beim nächsten Gespräch als Whiskey-Kenner beurteilt zu werden ?

  • Der Unterschied zwischen Bourbon und Tennessee Whiskey ist der letzte Akt der Filterung. Tennessee Whiskey tropft durch Kohle (Bei Jack Daniels wird diese Kohle selber hergestellt)
  • Das Jack Daniels Fass – aus eigener Herstellung – wird nur einmal verwendet und danach an andere Destillerien verkauft
  • Ein „single barrel“ ist ein Whiskey aus einem einzigen Fass (streng genommen schmeckt kein single barrel wie der andere, immer unique) – der bekannte Jack Daniels No. 7 wird immer aus mehreren Fässern gemixt um den Geschmack gleich zu halten

Also, ich hab in jedem Fall etwas gelernt und bei der anschliessenden Verkostung von 5 unterschiedlichen Whiskeys mein doch etwas abschätziges Bild über Jack Daniels verändert. Natürlich kaufen wir gleich einen Whiskey für unseren nächsten Hike! Die Führerin versichert uns noch, dass jeder nach der Verkostung noch Auto fahren kann, da es sich um kleine Schlücke handelt. Mmh, also ich weiss ja nicht, ob die Polizei da der gleichen Meinung wäre. In jedem Fall nutzen wir die nächste Gelegeheit um anzuhalten und schnell etwas zu essen, damit Heiko wirklich wieder fahrtüchtig ist…

Great Smokey Mountains National Park – no bears, viel Wald, ein bisschen zu viel Regen und trotzdem zwei sehr glückliche Hiker!

So, jetzt ist aber genug geschlemmt und gefaulenzt! Auf geht es Richtung Visitor Center des „Great Smokey Mountains National Park“! Kurz vor dem Ziel trauen wir unseren Auge nicht. Es sieht so aus, als ob wir mitten in einem Vergnügungspark wären. Wir fahren durch eine Strasse, rechts und links von uns alle Attraktionen, die man sich von einem Vergnügungspark erhofft: Auto Skooter, Achterbahn, Geisterbahn… und Dinge, die man noch nie gesehen hat, wie z.B. ein „umgedrehtes Haus“. Wo sind wir hier bloss? Das Örtchen heisst „Pigeon Forge“ und ist tatsächlich ein Besuchermagnet. Touristen aus ganz Amerika fahren meilenweit um hier Urlaub zu machen. Mmh, nicht unser Ding. Wir suchen ein Campingplatz um uns auf unsere Wanderung vorzubereiten und landen einen „volltreffer“. „Duvall in the Smokeys“ stellt sich als der bislang schönste Campingplatz heraus (https://www.duvallinthesmokiesrvcampground.com/). Mit viel viel Liebe zum Detail ist dieser Platz wirklich etwas ganz besonderes. Es ist nicht wie ein unpersönlicher Campingplatz, sondern eher wie ein Westernmuseum mit kleinen Besonderheiten. Ich kann es schlecht beschreiben, in jedem Fall haben wir uns vom ersten Moment an superwohl gefühlt. Und direkt am Fluss, sodass Heiko hier wieder sein Angelglück versuchen kann. Ich bin ganz begeistert von diesem verwunschenen Örtchen und kann das jedem nur empfehlen. Das das Besitzerehepaar noch super nett ist, ist ein Bonus oben drauf. Und Heiko faengt endlich mal wieder einen Fisch. Leider ist der sooo klein, dass man den nun wirklich nicht essen kann. Schade!

Nach all den Taco Bells, Wendys, Waffle houses und vielen mehr (anfangs war unser Ziel, alle Fast Food Ketten durchzuprobieren…Kann man absolut vergessen, es sind zu viele), sind wir bereit für ein bisschen Natur! Ein bisschen nervös sind wir schon, ob wir überhaupt noch in der Lage sind, ernsthaft mit Gepäck zu laufen. Wird schon gehen. Erstmal benötigen wir „Permits“ für den Park. Wir erklären dem Ranger, dass wir gerne die Smokeys auf dem Appalachian Trail durchwandern möchten, all in all 75 Meilen (125 km). Alles klar. Wann? Wir so, na, so bald wie möglich. Er schaut uns kurz an und fängt dann laut zu lachen an. Die Permits werden immer 30 Tage im voraus vergeben, so spontan wird das schwierig. Wir schauen ihn traurig an, das funktioniert. Er nimmt sich uns an und meint er wird mal versuchen, ein Wunder zu bewirken. Zelten ist auf dem Trail nicht erlaubt, man muss die „Shelter“ – halboffene Hütten benützen. Nach 30 Minuten, vielen Kompromissen und Flüchen sind wir stolze Besitzer aller Permits. Es ist ein superkurzer Tag mit nur knapp 10 km dabei und ein superlanger mit 29 Kilometern und 600 Höhenmetern dabei, aber wir dürfen los!

So, das ist mal geklärt, nächstes Problem: Bekommen wir Essen und Ausrüstung für 6 Tage in unsere neuen Rucksäcke? Wie jedes Mal sind die Haufen furchterregend gross. Scharfe Augen sehen auf dem Haufen auch den erworbenen Whiskey, natürlich darf die Glasflasche nicht mit… Jedes Teil, das auf den Haufen wandert wird kritisch auf Notwendigkeit geprüft, wieder fliegen einige Dinge raus. Wie durch ein Wunder passt alles in die Rucksäcke. Toll!

Tag 1: Fontana Dam – Mollys Ridge, 16 km, 820 Hoehenmeter

Wir lassen unser Auto am Zielpunkt stehen und fahren mit einem Shuttle ( „The Cabins in the Woods“) zum Startpunkt. Craig hat viele Hiker des Appalachian Trails (einer der drei längsten Trails in Amerika, kurz AT) gefahren und zu Gast in seinem Hostel und hat dementsprechend viele Stories zu erzählen. Die 2h vergehen wie im Flug und wir stehen am Einstieg des Trails. Also, los gehts!

Wir starten und sind gleich im Wald. Der AT hat den Beinamen „grüner Tunnel“ und nach den ersten Schritten ist klar, woher er ihn hat. Die ungewohnte Bewegung macht Spaß und wir sind guter Dinge als wir den 800 Meter langen Aufstieg starten. Endlich wieder draußen! Der Park hat die größte Schwarzbärenpopulation der USA, also bin ich bei jedem Geräusch nervös und erwarte einen großen Bären vor mir auf dem Weg zu sehen. Aber nach einiger Zeit stellt sich die Laufroutine ein und man vergisst, wo man ist. Könnte auch bei uns im Schwarzwald sein. Wir kommen an einen kleinen Aussichtspunkt, schön!

Nach der ganzen Untätigkeit merke ich mein Knie relativ schnell. Shoot! Das ist also der Beweis, dass sportliche Untätigkeit nicht gut ist! Ich nehme mir ganz fest vor, von nun an täglich Sportübungen zu machen, wenn ich nicht wandere! Aber jetzt hilft das jammern nichts mehr, jetzt muss ich da durch. Wie immer sind die letzten Kilometer die härtesten (egal wie kurz oder lang der Tag ist) aber schliesslich erreichen wir den Unterstand. Wir treffen ein paar AT-Hiker, die mit uns übernachten werden. So hoch oben wird es ganz schön kühl, also entscheiden wir uns ein Feuer zu machen. Heiko schleppt ein Stück Rhododendron an. Plötzlich kommt Verunsicherung auf. Einer der Hiker hat gehört, dass das Verbrennen von Rhododendron giftigen Rauch entwickelt. Wirklich. Mmh, ähh. Google wird befragt und hat viele Antworten. Einige, die sagen, dass es giftig ist, andere die sagen, dass es ungiftig ist. Gut, in jedem Fall hat Google recht… Einer der Hiker kommt auf die Idee „Poison Control“ anzurufen. Und bevor ich einwenden kann, dass man auch einfach das andere herumliegende Holz nutzen kann, hat er die Menschen schon an der Strippe. Verrückte Hiker. Die Dame ist wohl etwas verwirrt ob dieser seltsamen Anfrage, gibt aber nach kurzer Recherche die Auskunft, dass bislang noch nie ein Fall einer Vergiftung durch Rhododendron vorgekommen ist. Alles klar, jetzt wissen wir das auch.

Das erste Mal hängen wir unser Essen und alle riechenden Gegenstände an die dafür vorgesehenen Bären-Kabel und gehen dann im halboffenen Unterstand schlafen. Mmh, das Essen ist vor Bären sicher, aber was ist mit uns?

Tag 2: Mollys Ridge – Spence Field, 8 km, unzähliges Auf- und Ab

Kein Bär weit und breit durch die Nacht. Wir bleiben lange liegen. Aufgrund der Permits haben wir heute einen Mini-Tag vor uns. Während wir dösen, sehen zwei andere einen Bär an der Wasserstelle. UII! Heiko ist neidisch, er würde auch gerne einen sehen. Ich bin ganz froh, bin noch unsicher, ob ich wirklich einen sehen will. Mmh, werden wir eh nicht beeinflussen können.

Nach gemütlichem Frühstück und zweitem Kaffee laufen wir los. Wieder Wald, sehr selten hat man mal eine Aussicht, meist ist man einfach im Wald. Wir haben eine gute Zeit erwischt, es gibt blühende Sträucher, die das grün unterbrechen und hübsch anzusehen sind. Wir sind natürlich auch ein wenig verwöhnt mit fantastischen Aussichten auf dem TA. Ich frage mich aber, warum man 2000 Meilen im Wald laufen möchte, da scheint mir der TA doch lohnender zu sein. Mit den Smokeys durchwandern wir angeblich eine der schwersten und schönsten Etappen des Appalachian Trails. Aha. In jedem Fall geniessen wir die Bewegung. Es ist auch schön, mal wieder richtig Hunger zu haben! (Ich gebe zu, dass man schon ein wenig verrückt sein muss, um das als „Plus“ zu sehen).

Einer der AT-Hiker – man sollte ihm den Trailnamen „Chaos“ geben, hatte seinen Sack mit Klamotten vergessen. Wir sind so nett und tragen ihn mit uns mit dem Ziel in wenigstens bis zum nächsten Unterstand zu bringen. Nie hätten wir damit gerechnet, dass wir ihn tatsächlich einholen, aber wir treffen ihn an unserem Zielpunkt. Wir sind zwei Stunden nach ihm losgelaufen, sind wohl doch nicht ganz aus der Übung und haben eine angemessene Geschwindigkeit. Er freut sich und wir haben unsere gute Tat für den Tag erledigt!

Wir faulenzen und lesen an unserem erzwungenen Resttag. Dem Knie tut die Ruhe gut! Die Sonne strahlt, die Lichtung ist schön und außer Vögeln und dem Rauschen des Windes ist alles ruhig. Das gefällt uns gut! Abends kommen noch drei Hiker an. Einer davon hat den Trailnamen „the Jesus“. Trailnamen erwirbt man auf langen Trails – vor allem in USA ist das üblich. Er hat den Namen von dem Film „The Big Lebowski“. Und er macht seinem Namen und dem Film alle Ehre. Alle, die diesen Hinweis nicht verstehen – nicht schlimm 😉

Wir verleben einen schönen Abend mit netten, ein bisschen verrückten, Menschen. Beim Aufhängen des Essenssack passiert es, die Kabel verhädern sich und beinahe wäre ich von einem Essenssack erschlagen worden. Für die anderen sah es aus wie die Szene aus einem Comic, ich ziehe am Kabel und von oben fällt ein Sack herunter. Gottseidank ist es anders als im Comic und der Sack „rammt“ mich nicht in den Boden sondern landet neben mir. Puh!!

Tag 3: Spence Field – Silers Bold, 19 km, unzähliges Auf- und Ab

Nach einem gemütlichen Frühstück laufen wir los. Wir sehen einen Truthan aber wieder keinen Bär. Schade! Jetzt würde ich auch gerne einen sehen! Wir wandern vor uns hin bis wir plötzlich schon an unserem „Mittagsplatz“ sind. Ui, das ging schnell! Trotz Knieschmerzen haben wir ein gutes Tempo! In dem Moment in dem wir den Shelter betreten fängt es an zu gießen! Wow, gutes Timing! The Jesus ist auch in der Hütte und wir entscheiden, den Regen abzuwarten. Ein kleines Nickerchen hilft uns die Zeit zu überbrücken.

Bei einer kurzen Regenpause entscheiden wir, weiterzulaufen. Der NEbel zieht aus dem Wald, es ist eine schöne Stimmung. Nach kurzer Zeit fängt es aber wieder an zu regnen. Naja, so probieren wir wenigstens die neuen Regenklamotten aus.

Wir kommen an unser Ziel und es hört auf zu regnen, na toll.

Wir genießen den Abend mit Schokolade und Whiskey, man soll ja Gewohnheiten pflegen. Lecker der Jackie. Mit dem Whiskey können wir auch unseren Shelter-Genossen besser ausblenden. Ein russischer Gelehrter, wir tippen auf Mathematik. Er ist sicherlich nett, aber er strahlt „Ich bin ein Nerd“ aus jeder Pore. Er hat eine Mütze auf, ich kann euch sagen, ich wüsste nicht, wo man so ein hässliches Ding erwerben kann, und wer dafür Geld bezahlt. Es ist so eine Art Badekappe, die eng anliegt und auch die Ohren bedeckt. Und, egal, welch interessante Dinge er erzählt, ich werde immer abgelenkt durch diese Kopfbedeckung. Das mit seiner Angewohnheit bei Augenkontakt sofort in einem langatmigen Monolog zu verfallen lässt uns zu 100% auf unseren leckeren Whiskey konzentrieren. Bloß nicht den Kopf heben!!

Tag 4:  Silers Bold – Kephart, 28 km, 800 Höhenmeter

Durch die volle Konzentration auf den Whiskey werden wir mutig! Wir entscheiden uns, am nächsten Tag Rebellen zu sein! Ihr denkt gerade: Die zwei und Rebellen? Da lache ich ja!! Aber, wir haben uns entschieden, den „Schlenker“ zum Kephart Shelter- den wir machen müssen, da wir keine Permit für den direkten Weg haben – nicht zu machen. Zum Kephart Shelter sind 3,2 Km mehr, und ein Abstieg von 600 Höhenmetern, den wir am nächsten Tag wieder rauf müssen. Neben den sowieso vielen Höhenmetern an dem Tag, nicht etwas, worauf wir erpicht sind. Nachdem bisher kein Shelter voll war und wir ausserdem noch nie einen Ranger gesehen haben, wollen wir es riskieren.

Alex und Heiko: Die Rebellen (in meinem Kopf spielt dabei im Hintergrund die „Badman“ Melodie!)

Deswegen gehen wir gemütlich los, ist ja doch kein so heftiger Tag wie befürchtet! Das ist gut, mein Knie macht mir doch mehr zu schaffen, als mir lieb ist. Trotz der vom Regen nasser Schuhe und Socken laufen wir guter Dinge los. Es regnet immer mal ein wenig, aber das ist nicht schlimm und macht die Stimmung im Wald irgendwie schöner. Plötzlich sehen wir ein Wildschwein Frischling. Ohhh, wie süss! Es sieht uns und prescht ins Gebüsch. Mmh, wie war das nochmal? Mama Wildschwein + Frischling + Wanderer = GEFAHR!!

Wir warten ein wenig ab um der Mama Gelegenheit zu geben zu ihrem Nachwuchs aufzuschliessen. Wär blöd, wenn man zwischen die beiden kommt. Ein Ranger hat uns mal den gutgemeinten Rat gegeben, dass man beim Antreffen auf ein aggressives Wildschwein am besten bergauf rennt, da die Wildschweine nicht so schnell bergauf rennen können. Ganz toller Trick! Ich renne bergauf auch nicht besonders schnell.

Aber es kommt kein aggressives Wildschwein und wir wandern weiter. Nur, um kurz danach bei einem lauten Grunzen kurz in Panik zu verfallen. Aber das Wildschwein ist nicht direkt vor uns, sondern ein Stück im Wald. Trotzdem laufen wir ganz schnell vorbei…

Wir wandern vor uns hin, wie jeden Tag hier in den Smokeys gibt es fast keine geraden Stücke sondern entweder bergauf oder bergab. Fast bleibt mir das Herz stehen, als ein auf dem Weg unter dem Gras sitzendes Kanninchen vor meinem herunterkommenden Fuss hinweghüpft. Das ständige Auf- und Ab zehrt an den Kräften, so sind wir froh unser Mittagsziel zu erreichen. Dort erfreut uns ein kleines Eichhörnchen, das, frech wie Oskar umerhüpft. Ok, Halbzeit, puh, irgendwie anstrengend heute! Gut, dass wir nicht den langen Weg haben!

Und dann passiert es. Wir treffen einen Ranger. Ernsthaft? Wirklich jetzt??? Wenn wir einmal Rebellen sein wollen, treffen wir auf dem Weg zur „Untat“ den „Sheriff“. Das gibt es doch nicht. Menno!! Er will natürlich unsere Permit sehen. Wir fragen ihn, ob der Shelter auf dem Weg wirklich voll ist oder doch ein Plätzchen für uns hat. Er verneint und weisst uns darauf hin, dass wir im reservierten Shelter übernachten müssen. OHJE!! Unser Rebellengeist wurde erstickt! Jetzt trauen wir uns natürlich nicht mehr. Shoot! Das heisst 3 km und 600 Höhenmeter extra. Menno….

Als wir an die Kreuzung kommen, nochmal kurzes Zögern. Mein Knie hat sich zu einem steten Schmerz entwickelt, aber jetzt müssen wir durch! Um 18.00 Uhr erreichen wir den Unterstand. Zumindest sind wir allein! Und eigentlich ist der Shelter auch echt schön, an einem Bach gelegen und wunderbar einsam. Der schönste Shelter bis jetzt! Das haben wir auch echt verdient! Erstmal ausspannen und ignorieren, dass wir morgen die zusätzlichen Höhenmeter wieder rauf müssen!

Und dann erhalten wir noch eine weitere Belohnung! Es ist gerade die Zeit, in der, auf bestimmten Höhen die Glühwürmer „synchronisieren“. Sie blinken gemeinsam, dann ist 8 Sekunden komplette Dunkelheit bis sie wieder gemeinsam leuchten. Am Anfang sind es einzelne, dann immer mehr und schliesslich hunderte zusammen. Ein unglaubliches Schauspiel! Die Glühwürmer haben sich entschieden, dieses Stück direkt vor unserem Shelter aufzuführen. So liegen wir, eingemummelt in unseren Schlafsäcken, gemütlich und trocken und bewundern dieses unbezahlbare Schauspiel! Toll!! Dafür hat sich der Abstieg gelohnt!

Nach der Show fängt es an zu regnen und wir erfreuen uns – warm und trocken – an dem prasselnden Regen!

Tag 5:  Kephart – Tricolour, 24 km, 800 Höhenmeter

Nicht mehr ganz so glücklich sind wir als es morgens immer noch regnet. Menno. Wir gönnen uns zwei Kaffee – wird schon wieder knapp. Wieso lernen wir das eigentlich nicht, dass man am Kaffee nicht sparen soll?!?! Danach regnet es aber immer noch. Hilft wohl nichts, los geht es. Schuhe und Socken sind eh noch nass.

Wir kämpfen uns im Regen wieder die 600 Höhenmeter rauf. Und oben hört es plötzlich auf zu regnen. Soo schön! Ich meine, man ist natürlich immer noch nass, Schuhe und Socken natürlich auch und zwar so, dass das Wasser im Schuh schwappt, aber man kann die Kapuze abnehmen und hat wieder uneingeschränkte Sicht. Der Wald erwacht zu leben. Es ist einfach friedlich und gleichzeitig lebendig. Nach einiger Zeit erreichen wir unser Ziel für die Mittagspause. Wieder haben wir Glück und der Regen wird in dem Moment, in dem wir ein Dach über dem Kopf haben zum Sturm.

Danach hört der Regen sogar ganz auf und die Sonne kommt ein wenig raus. Wir geniessen dieses Stück weg und erreichen unser Ziel bevor der Regen wieder anfängt. Toll! Warm und trocken im Schlafsack unser Treat: Whiskey und Schoki, was will man mehr!

Tag 6:  Tricolour – Big Creek Parking , 25,3 km, 1200 Höhenmeter bergab

Der Shelter war relativ voll, dementsprechend ist viel Chaos am morgen. Wir bleiben liegen und lassen die Leute erstmal räumen. Unglaublich wie langsam und unorganisiert manche Menschen sind. Irgendwann können wir es wirklich nicht mehr aushalten und machen uns fertig. Es regnet nicht, die Sonne spitzelt sogar ein wenig. Toll!

Wir geniessen unseren Kaffee und lassen alle ziehen. Zwei Frauen vergessen einen Sack, was Heiko zu einem kurzen Morgensprint veranlasst. Gerade noch erwischt, wunderbar! Also nun aber wirklich los.

Heute geht es raus aus dem Trail, nach 5 Nächten fiebern wir der Dusche entgegen. Also haben wir einen relativ zügigen Gang und wundern uns, dass wir die zwei Frauen nicht einholen. Komisch, die sahen gar nicht so schnell aus. Mmh, hat wohl getäuscht. Durch die spitzelnde Sonne und den vorangegangnen Regen sind die Farben noch intensiver. Alles riecht frisch und es ist ein wunderbarer Weg. Nach 2h überholen wir einen Wanderer, der sicherlich 1h vor uns losgelaufen ist. Er hat die zwei Frauen auch nicht gesehen, ohje, die sind wahrscheinlich in die falsche Richtung gelaufen. Naja, das passiert sicher nur einmal…

Wir geniessen schöne Aussichten – endlich mal nicht weiss und wandern beschwingt weiter. Kurz vor mittag überholen wir zwei weitere Mitwanderer, zwei junge Burschen, sehr motiviert und fit, die den gesamten Trail laufen. Man sieht den Gesichtern an, dass sie das doch etwas befremdlich finden von uns eingeholt zu werden. Sie bemühen sich Schritt zu halten und sind auch kurz nach uns an einem perfekten Mittagspausenplatz.

Uns zieht es aber schnell weiter, die Dusche ruft! Wir ziehen durch, es ist auch wirklich ein einfacher weg, immer bergab. Je weiter man runter kommt, desto mehr Mücken finden sich ein. Aber, man kann den kleinen Mistviechern ab einer bestimmten Geschwindigkeit entfliehen, was wir natürlich machen. Es macht Spass die Meilen so vorbeifliegen zu sehen. Die Rucksäcke sind ohne das Essen superleicht, man spürt sie kaum. Bereits nach knapp 7 Stunden erreichen wir unseren Van. Gerade als es anfängt zu regnen, juhu. Auf zur Dusche!

Mit diesen 125 Km in den Smokeys haben wir nun die 1000 Meilen Marke überschritten! Und nicht nur das! Mein Rotary Club Stuttgart Wildpark und wir sind mächtig stolz, dass wir den zweiten Brunnen für Haiti nun finanziert haben! 30.000 US Dollar sind gesammelt, vielen tausend Dank an alle Unterstützer! Und, das Timing ist perfekt! Anfang Juli werden wir auf Haiti beide Gemeinden besuchen können. Die erste hat nun schon ein knappes halbes Jahr Erfahrung mit dem Brunnen. Zeit genug, um nachzufragen, was sich für die Menschen dort geändert hat und zu sehen, ob die Mädchen nun in die Schule gehen können. Denn Bildung ist das, was die Menschen in Haiti langfristig weiterbringen wird!

Dank dem guten Timing werden wir Gäste bei der feierlichen Eröffnung des zweiten Brunnens sein. Und ihr, als Blog-Leser seid damit fast live dabei! Heiko wird alles geben, um ein schönes kleines Video zu machen, auf dem ihr sehen könnt, wie die Menschen den Brunnen – und eure Großzügigkeit – feiern!

Als dritten Stop ist geplant (man weiss nie so genau, ob Planung auch Wirklichkeit wird in Haiti) die Gemeinde zu besuchen, die von dem nächsten Brunnen profitieren wird. Perfekte Motivation für uns, um weiter zu machen. Natürlich brauchen wir weiterhin Eure Unterstützung!

Hier findet ihr noch einen kleinen Artikel im letzten Rotary Magazin:

Rotary Magazin 06/19

2019-06-10T16:51:32+02:00