170km durch die arktische Wildnis — der letzte Check!

Sorry guys, haven’t had time to translate this journey in english.

So, bald geht es los. Wir nutzen unseren letzten Urlaub, um nochmal uns und unser Equipment zu testen. Zahlen, Daten und Fakten des anstehenden Trails im Überblick:

  • Name: Arctic Circle Trail, ACT in Grönland
  • Etappen: empfohlen: 11, wir wollen 12 Etappen daraus machen
  • Kilometer: 170km, Höhenmeter: 3618 hoch, 3457 runter
  • Startpunkt: Kangerlussuaq
  • Ende: Sisimiut
  • Anzahl Möglichkeiten, Nahrung zu kaufen:  0
  • Grad der Vorfreude:  200%

Vorbereitung

Puh, war anstrengend heute, aber jetzt haben wir wieder Haufen produziert! Diesmal haben wir sogar jedes Equipment Teil gewogen. Super, jetzt wissen wir also definitiv, dass wir zuviel dabei haben. Wir wissen natürlich auch woher es kommt. Diesmal haben wir sogar Luxus eingepackt, z.B. Stühle! Und Tee! Und Salami!! Haben dafür die Teller weggelassen, braucht kein Mensch. Und ein Handtuch, die Wahrscheinlichkeit, dass wir ausgiebige Bäder in den arktischen Seen nehmen ist nicht sooo hoch.

So, die Haufen einpacken und hoffen, dass alles passt. Und dann geht es los, yipeeeh!

Tag 1 – Anreise

Nachdem wir gestern nach Kopenhagen geflogen sind, geht es heute weiter nach Kangerlussuaq. Gut erholt nach der letzten warmen Dusche für die nächsten 11 Tage und einem guten Frühstück machen wir uns auf zum Flughafen.

Der Flug ist problemlos, die kurze Panikattacke bei der Frage, ob man ohne Reisepass nach Grönland einreisen darf, ignorieren wir mal kurz. Für alle, die vor derselben Frage stehen: es geht, ein Personalausweis reicht 😉 Aber wir würden selbstverständlich nie ohne gründliche Vorbereitung inklusive Recherche welche Reisedokumente man benötigt, in Urlaub fahren. Wir doch nicht!

In jedem Fall betreten wir grönländischen Boden. Zugegebenermaßen ist der Flughafen von Kangerlussuaq nicht wirklich ein Muster an grönländischer Schönheit. Egal, kurz Wasser und Gas gekauft (im Supermarkt am Flughafen gibt es eine gute Auswahl an Gas mit Schraubgewinde) und auf geht es zu der ersten Etappe!

Tag 1 – Flughafen Kangerlussuaq – Kellyville (15km)

Die Strecke ist wirklich nicht schön. Es lohnt sich, dieses Stück mit dem Taxi zu überbrücken! Wir dachten aber, super, easy Etappe, das ist gut zum einlaufen. Dazu muss man ggf. noch sagen, dass wir trotz aller hehren Ziele, keinerlei ernsthafte Vorbereitung geschafft haben. Also, einfache Strecke = perfekt zum einlaufen, dachten wir. Man läuft direkt an der Strasse entlang, die den Flughafen mit dem Hafen verbindet (ansonsten gibt es in Kangerlussuaq nichts). Der Rucksack ist noch voll und dementsprechend schwer (Alex, mit Wasser (und Rum) 18kg / Heiko, mit Wasser (und Cognac) 23kg). Die ersten Zweifel kommen auf, ob man wirklich den Abzweig in die “wilderness” nehmen soll. Schaffen wir das überhaupt? Habe ich erwähnt, dass es zwischendurch keine Gelegenheit gibt, einfach auszusteigen? Keine Stadt in der Nähe des Trails, nur arktische Unberührtheit. Ganz am Ende gibt es eine Stadt, die neben dem Trail liegt, aber dann ist man schon fast vor Sisimiut.

Egal, jetzt hilft die Heulerei nicht mehr….

Kurze Pause am Hafen von Kangerlussuaq und dann geht es weiter. Mittlerweile haben wir uns auch eine Erklärung für die Quälerei auf der ersten Etappe zurecht gelegt: Zeitverschiebung und zu wenig gegessen 😉 Super, hört sich schon viel besser an als Faulheit vorher zu trainieren! Dann endlich der See, unser Ziel, juhu!

Wir schlagen unser Zelt neben zwei Mädels auf (das wird das einzige Mal sein, dass wir nachts nicht allein sind) und essen ein überraschend gutes Mal “Maccaroni&Cheese”. Das wird Alex’s neuer Favorit! Unser Luxus: Stühle, wird auch das erste Mal ausprobiert, gigantisch!

Tag 2 – Kellyville – Irgendwo (ca. 3km vor dem Ostufer des Quarlissuit) (14km)

Frisch erholt starten wir mit einem Kaffee, den wir auf unseren Stühlen geniessen. Wir beschliessen einen kurzen Tag mit 14km zu machen, schließlich haben wir ja Urlaub! Auf Facebook haben wir eine Challenge ausgerufen, dass jeder Wanderer auf dem Trail fremden Müll einsammeln sollte, damit der Trail für alle lange wunderschön bleibt. Wir sammeln bereits je ein zurückgebliebenen Müll ein. Bravo! 😉 Entgegen unserer Erwartungen, sehen wir viele andere Wanderer. Aber mit geschickten Pausen vermeiden wir meist tagsüber Sichtkontakt und da wir die Hütten meiden, reduziert sich der Kontakt enorm. Wir geniessen diese wunderbare Etappe an Seen entlang. Das Wetter hält, zwar keine Sonne, aber dafür auch keine Mücken, da kann man sich nicht beschweren!

Hier noch die “Puschelmoorpflanze” – so haben wir diese benannt. Irgendjemand kam uns zuvor und hat sie “Wollgras” genannt. Ich finde Puschelmoorpflanze passender. Vor allem, da dieser Name neben dem Aussehen auch den Umstand beschreibt, den sie einherbringt: Moor. Oder wie Alex am liebsten sagt: Matschepatsche. Genau das findet man bei diesen Pflanzen, meist knöchelhohen Sumpf.

Wir kommen an unserem Ziel am frühen nachmittag an. Heiko macht sich auf den Weg, die Angel zu schwingen, während Alex sich es lieber bequem macht. Leider hat Heiko kein Glück beim angeln. Es fängt an zu regnen, weswegen wir uns ins Zelt verziehen. Auch hier kommen unsere Stühle zum Einsatz, toll.

Tag 3 – Irgendwo – Irgendwo (Nordufer des Amitsorsuaq) (14km)

Der Morgen ist trüb und schweinekalt. Das Zelt ist naß, der Wind pfeift. Alles in allem schon etwas grausig. Wer hatte nochmal die tolle Idee seinen Urlaub hier zu verbringen? Warum machen wir das? Jetzt hilft es auch nicht mehr, also raus aus dem kuscheligen Schlafsack. Nach Kaffee und Frühstück macht sich der erste Fehlkauf bemerkbar: Alex’s Gamaschen. Die aufkommende Krise wird souverän von Heiko gemeistert, er verschenkt seine. Puh, Krise abgewendet, also los geht es!

Die erste Flussüberquerung steht an. Sie soll kniehoch sein und einen Vorgeschmack auf die schwerste Überquerung geben. Die Anspannung ist – zumindest bei Alex – da. Dann der Fluss. Naja, eher ein Bächle. Trotzdem ein Foto bei dieser doch sehr anspruchsvollen Überquerung ;).

Nach kurzer Zeit dann die erste arktische Begegnung: Rudolfina! Nein, keine Wanderin, sondern eine sehr neugierige Rentierdame. Sie kommt immer näher, um uns zu begutachten. Wir freuen uns! Später treffen wir noch zwei männliche Gegenstücke. Wahrscheinlich sind sie auf der Suche nach der Dame. Der wunderschöne Weg führt uns durch hügeliges Gelände und immer wieder an tollen Seen vorbei. Toll!

Schliesslich sehen wir die Hütte Katiffik. Hier wollen wir kurz aus dem Wind, schön Mittagessen. Unser Lächeln – in Antizpation einer warmen Mittagspause – gefriert auf unseren Lippen als wir Stimmen aus der Hütte hören. Menn0!! Unsere Irritation währt nur solange bis die Tschechien uns erzählen, dass sie mit einem Boot gekommen wären, das unten am Seeufer liegt. Mmh, wollen wir Kanufahren? Das hatten wir so gar nicht auf dem Radar. Warum eigentlich nicht. Während wir noch überlegen, nähern sich zwei weitere Wanderer der Hütte.

Das beschleunigt die Entscheidung – erstmal runter zum Boot und es in Beschlag nehmen! Wir erreichen das Boot locker als erste und tun so, als ob wir es schon immer nutzen wollten. Klaro! Die ankommenden Schweizer sind sichtlich enttäuscht, dass sie das Kanu nicht haben.

Wir beschliessen noch ein wenig zu paddeln und suchen uns ein wunderschönes Plätzchen an dem Trail gegenüberliegenden Ufer (sind ja nicht dumm ;)). Hier bleiben wir, toll! Heiko packt die Angel aus. Petri Heil!

Heiko hat wieder nichts gefangen. Wir ziehen daraus die einzig mögliche Schlussfolgerung: Es gibt gar keine Fische in diesem See!!

Tag 4 – Irgendwo – Insel schräg gegenüber Kanucenter (17km)

In der Nacht hat es wieder gestürmt, Temperaturen unter 0°Celsius. Auch der Morgen ist trüb und wir hören leichten Regen auf das Zelt prasseln. Super, dann sind Schuhe und Socken sicherlich nicht trocken geworden. Ganz toll! Keiner will das warme Zelt verlassen. Nö, da geh ich nicht raus, brrr! Irgendwann rafft sich Heiko auf, Alex hält noch länger an der Wärme fest, weigert sich hinauszukommen und lässt sich Frühstückskaffee und Frühstück in’s Zelt reichen.

Irgendwann haben wir doch alles gepackt und ab geht die Fahrt. Wir haben kein Wind und keinen Regen, der See ist also perfekt ruhig. Das ist gut, denn bei den Temperaturen ist ein kentern wahrscheinlich eher gefährlich. Das im Hinterkopf macht das einmal notwendige Queren doch zu einer Zitterpartie, vor allem bei Alex. Aber alles lief gut und wir paddeln ruhig vor uns hin. 

Dabei ignorieren wir die kalten Temperaturen. Die nassen, nackten Füsse in den Crocs macht es auch nicht wirklich besser. Kann ja auch keiner ahnen dass es in Grönland kalt ist, woher auch! Eine Pause mit Grog (18 Jahre alter Rum – wir sind halt Feinschmecker) wärmt uns ein wenig und macht die Paddelei umso entspannter.

Irgendwann spitzelt die Sonne ein wenig raus, die Laune steigt (oder war das der Rum?) und dann dreht das Wetter komplett und wir haben plötzlich strahlenden Sonnenschein. Der See ist glasklar. Dank der Sonne sieht er auch nicht mehr so gefährlich aus. Wir paddeln am verlassenen Kanucenter vorbei und enttäuschen damit sicherlich Wanderer, die auf ein Kanu gehofft hatten. Neee, wir behalten das Kanu noch. Ziel ist, auf einer kleinen Halbinsel zum nächtigen und am nächsten Tag bis zum Seeablauf fahren. Gesagt, getan wir finden ein wunderschönes Plätzchen und lassen den Abend bei Sonnenschein ausklingen.

                                                

Tag 5 – Insel – Landzunge am Kangerluatsiarsuaq (12km)

Seit langem die erste Nacht ohne Regen und Wind. Ein bißchen Sorge ist in unseren Köpfen, dass jetzt unzählige Mücken auf uns warten. Aber nein! Stimmt wohl doch, dass Frost die Mückenpopulation dezimiert. Muss ja zu etwas gut sein die arktische Kälte! Ein freundlicher Morgen begrüßt uns! Diesmal sind wir schneller aus dem Zelt und genießen unser Frühstück auf unseren Stühlen. Da strahlen die Strassl:

Wir planen das tolle Wetter auszunützen und bei der ersten Gelegenheit Zelt und Angel auszupacken. Saibling zum Abendessen? Alles scheint möglich! Ein grandioser Tag wartet.

Wir paddeln nur noch kurz um die Insel und nähern uns schnell dem See Abfluss. Wir sehen zwei Wanderer, die die entgegengesetzte Richtung laufen. Wir rufen rüber und fragen ob sie das Kanu wollen. Große Begeisterung und Freude ist zu spüren. Also rüber und anlanden. Das tschechische Pärchen (scheint neben den deutschen die häufigste Nationalität auf dem Trail zu sein) beladen das Kanu und ab geht die Fahrt. Byebye Canoe!

Heiko wirft noch ein wenig die Angel, leider wieder erfolglos. Ist ja klar, ist ja auch kein Fisch im See!. Wir verlassen den See und wandern (kurzärmlig! Die arktische Sonne ist richtig kräftig) über Sumpfwiesen (=nasse Schuhe und Füsse), über felsiges Terrain und immer wieder an kleinen Seen vorbei. Traumhafte Aussicht. Wir genießen jeden Schritt, bewundern die Landschaft. Heiko pflückt Blaubeeren und Pilze. Alex ist da nicht so experimentierfreudig.

Wir kommen an das vorher festgelegte Ziel, eine Landzunge. Etwas abseits vom Weg finden wir den perfekten Zeltplatz und richten uns häuslich ein. Wieder ein traumhafter Platz. Heiko macht sich auf, um die Angel auszuwerfen, Alex drückt ihm die Daumen und bewundert insgeheim die Disziplin. So richtig überzeugt ist Alex nicht, dass diesmal ein Arktiksaibling das Abendessen verfeinert.

Als hätte er den Zweifel gehört, kommt Heiko wieder – in der Hand einen Saibling. Wahnsinn! Ein Prachtexemplar, toll! Und Jetzt? Ohne Bäume ist das Holz sammeln sehr mühsam, aber nach 1h haben wir genug trockenes Reisig gesammelt, um am Strand ein kleines Feuer zu entzünden. Übrigens: eine Angellizenz kann man in Kangerlussuaq beim Postamt erwerben. Selbstverständlich hatten wir das getan, sodass wir ohne schlechtes Gewissen den Saibling verzehren können! Das Grillen ohne Zubehör (auch Stöcke sucht man hier vergeblich) gestaltet sich etwas schwierig, aber wäre ja gelacht, wenn wir das Ding nicht gar bekommen. Aufgrund unserer Ungeduld war der Fisch leider nicht komplett gar, aber die Teile, die durch waren, waren phänomenal!!!

Tag 6 – Landzunge am Kangerluatsiarsuaq – ca. 3km hinter Ikkatooq Hütte (15km, 600 Höhenmeter rauf)

Die Nacht war ruhig, kein Wind, kein Regen. Total erholt wachen wir auf und spüren die Sonne auf unserem Zelt. Toll! Diesmal ist auch Alex viel schneller aus dem Zelt. Wahnsinn, keine Wolke, keine Mücke, kein Wind! Ideale Bedingungen für eine Waschsession im See. Brrr – das ist dann doch etwas kalt!

Frisch gewaschen belohnen wir uns mit einem ausgedehntem Frühstück mit traumhafter Aussicht. In der heutigen Etappe sind ein paar Höhenmeter zu überwinden, los geht’s!

Der Aufstieg ist sehr steil und lang, aber er belohnt mit einem wunderbaren Blick hinunter ins Tal!

                                

Die weitere Etappe ist wunderschön, aber auch anstrengend. Es geht über kleinere Hügel, über Geröllfelder und ab und zu über die beliebten morastigen Wiesen. Einfach nur zu genießen, vor allem bei diesem traumhaften Wetter. Der Wind ist stark und bringt Kälte mit, die arktische Sonne ist dagegen auch stark, ein lustiges an- und wieder ausziehen beginnt.

Nach vielen Aufstiegen setzt langsam der “wie weit ist es denn noch” Chorus im Kopf ein. Hinter jeder Erhebung vermutet man die Hütte, in deren Nähe wir heute kampieren möchten. Dann kommt die Hütte in Sicht! Wir freuen uns auf eine Tasse Tee ohne Wind.

Die Hütte ist erstmal leer, kurz nach uns kommt ein grönländisches Pärchen “angerauscht” – wow, sind die schnell. Sie packt in der Hütte eine 200 Gramm Tafel Schokolade aus. Gemein!! Wir sind eher am rationieren unserer Snickers und sie mampft ihre Schokolade. Mmh, ein Stuhl wiegt 350 Gramm = 3,5 normale Tafeln Schokolade…. Gerade jetzt würde Alex jederzeit den Stuhl gegen die Schokolade eintauschen… Schnell raus aus der Hütte, bevor sich das Pärchen noch gezwungen durch die sehnsüchtigen Blicke gezwungen fühlt uns etwas anzubieten. Wir laufen noch ein wenig und finden einen perfekten Spot am See, schön!

Zum Abendessen gibt es Pasta Primavera (Trek’n Eat). Wow, das ist ja mal richtig lecker. Verdrängt nicht die Maccaroni&Cheese aber sicherlich Platz 2! Gesättigt richten wir uns auf einen gemütlichen Abend ein. Für den nächsten Tag ist der steilste Abstieg geplant, die Bewährungsprobe für Alex’s Knie. Wie sagte uns ein Wanderer: “Don’t worry, I will Cross that Bridge when I get there!”. Genau! Gute Nacht!

Tag 7 – Hinter Ikkatoq Hütte – 5km nach Eqalugaarniarfik Hütte (14,5 km, 570 Höhenmeter runter, 630 Höhenmeter rauf)

Wieder ein wunderbarer Morgen. Nicht ganz unbewölkt, aber wir wollen mal nicht meckern, sieht vielversprechend aus. Wir folgen unserer Morgenroutine, die jäh unterbrochen wird durch den Fakt, dass die zweite Gaskartusche zwar voll ist, aber kein Gas rauskommt. Trockennahrung ohne warmes Wasser? Kein Kaffee????? Wir verschieben das Problem erstmal indem Heiko mit viel Geduld noch genügend Gas für das aufwärmen des Kaffeewassers aus der alten Gaskartusche lockt. Gottseidank!

Da diese Etappe über den weiteren Verlauf der Reise und vor allem den Iboprofenverbrauch aufgrund Alex’s Knie entscheidet, können wir ein gutes Frühstück gebrauchen. Zwei Schneehasen wünschen uns gute Reise und viel Erfolg.

Und dann kommen die gefürchteten Höhenmeter. Heiko bietet unter dem Vorwand der Gewichtsreduzierung an, alle Snickers zu nehmen. Den Grad der Angst kann man daran ablesen, dass Alex zustimmt und das kostbare Gut kampflos aufgibt. Wasser leeren wir auch, jetzt zählt es!

Alle Maßnahmen zeigen Wirkung. Ob es jetzt an der Gewichtsreduktion, der langen Physiotherapie oder dem Sport mit Fokus auf Beinmuskulatur (Fitnessboxen – zu empfehlen) lag, ist unklar. Spielt aber auch keine Rolle. Schmerzfrei kommen wir unten an. Juhu!

Voller Elan zur nächsten Herausforderung der heutigen Etappe, die wohl anspruchsvollste Flußüberquerung auf dem Trail. Wär ja gelacht! Heute ist eh unser Glückstag! Am Ufer sind wir gleich ein wenig kleinlauter. Sieht doch tief aus und die Strömung scheint nicht ohne.

Heiko traut sich als Erster und kommt durch – oberschenkelhoch. Alex sucht lieber eine andere Stelle. “Hier?” “Sieht ruhiger aus, scheint aber tief zu sein.” Gentleman Heiko furtet nochmal zurück. Recht gehabt, die Stelle ist ohne Strömung, nur leider viel tiefer, geht Heiko bis zum Bauch. “Nee, das kannste vergessen, da bin ich ja bis zur Brust drin und der Rucksack ist auch nass…” Wir laufen weiter, bis wir eine dritte Stelle finden, diese scheint perfekt. Heiko probiert aus, sollte klappen. Sicher kommt Alex an’s andere Ufer, Wasser ca, knapp über dem Knie – perfekt. Eigentlich war Alex schon drüben – nochmal kurz ein Stück rein, um ein Foto zu machen. Dabei rutscht sie auf den glitschigen Steinen aus, verliert beinahe das Gleichgewicht und rettet sich nur durch einen Schritt zwischen die Steine –> Ergebnis: nicht umgefallen, aber den Fuß aufgeschürft. Was macht man nicht alles für ein Foto….!

Nach diesen Abenteuern gönnen wir uns eine wohlverdiente Pause, um die Socken auszuwringen und das stehende Wasser im Schuh auszukippen. Das Gefühl wieder nasse Socken und dann nasse Schuhe anzuziehen – nicht sooo toll.

Nach Überquerung vieler Morastwiesen (spätestens jetzt wären die Schuhe / Füsse eh nass) kommt die Hütte in Sicht. In der Hütte treffen wir ein Pärchen aus München. Beide benutzen die gleiche Gaskartusche wie wir. Wir schildern unser Problem mit dem Gas, tauschen die Gaskartuschen und siehe da – bei Ihnen geht unser zweites Gas. Und ihre Gaskartusche funktioniert bei uns. Die Beiden sind so nett und tauschen mit uns. Grandios!!! Problem gelöst! Danke an die Beiden!

Wir laufen noch ca. 5 km und suchen uns ein traumhaftes Plätzchen.

Tag 8 – 5km nach Hütte Eqalugaarniarfik – 1km nach Hütte Innajuattoq (14km)

Die ganze Nacht hat es gewindet und geregnet. Der Wind war so stark, dass wir dachten, unser Zelt fliegt weg. Aber nein, es hat gehalten. Storm approved sozusagen. Aufgrund des etwas unebenen Bodens und den Stoßbitten, dass wir nicht in die Kälte müssen da irgendetwas mit dem Zelt ist, war es eine unruhige Nacht. Auch am Morgen haben wir den Moment des Aufstehens, solange möglich hinausgezögert. Die Bergspitzen sind über Nacht weiß geworden, brrrr!! Das Innenzelt verpacken wir extra in der Hoffnung, abends nicht in ein komplett nasses Zelt kriechen zu müssen.

Auch den ersten Teil des Weges verfolgt uns der kalte Wind. Wir haben alles an, was wir dabei haben, trotzdem ist es etwas zugig. Nach 1h finden wir ein etwas windgeschützteres Plätze – erstmal Kaffee, das tut gut. Landschaftlich ist die Strecke traumhaft, irgendwann lässt der Wind auch etwas nach, sodass die Strecke auch genossen werden kann. Die Sonne kommt nicht durch, aber wenigstens auch kein Regen.

Wir holen eine ältere Alleinreisende aus Kanada ein (ja, wir können auch mal jemanden überholen). Sie kann ihren Rucksack nicht allein ab- und aufsetzen. Heiko hilft. Wunderbar, die gute Tat für heute ist auch schon erledigt! Der Weg ist mal steinig, mal durch Kriechweiden, mal morastig. Mehrere kleine Flussüberquerungen meistern wir ohne Probleme mit “Steine hüpfen”.

Die gefürchtete angekündigte Feuchtwiese haben wir noch vor uns, als uns ein kleiner Polarfuchs vor die Linse läuft. Er hoppelt wie ein Hase und bereitet uns damit große Freude! Diese wird erst in der Feuchtwiese getrübt.

Bäh! Matschepatsche! Und wieder alles tropfend naß. Langsam lohnt es sich nicht mehr, sich über die nassen Füsse zu ärgern. Wir überqueren ein paar Bäche und irgendwann kommt die Hütte in Sicht. Das letzte Stück hat es noch in sich, Alex kämpft mit nassen Füssen, Heiko mit Schwärmen von Mücken. Die Hütte ist eine Erleichterung! Wir wärmen uns ein wenig auf, plaudern ein bißchen und Entscheiden uns dann noch ein paar Meter zu gehen. Heiko findet einen schönen Spot auf einem Art Rosmaringewächs und wir schlafen friedlich im Duft des Rosmarins ein. Oder war das doch zuviel Whiskey?

Tag 9 – 1km nach Innajuattoq Hütte – 1km nach Nerumaq Hütte (17,5km)

Während der Nacht kein Regen und nur ein wenig Wind. Die Sonne weckt uns, auch wenn sie sich hinter vielen Wolken versteckt. Die Nacht war eisig kalt, sicherlich wieder deutlich unter 0Grad. Heiko muss sich trotz Socken und Schlafanzug so tief in seinen Schlafsack verkriechen, dass man ihn gar nicht mehr sieht. Ist halt Grönland…

Die Mücken sind aufgrund der Temperaturen auch erstmal weniger, aber während des Frühstücks wachen die Plagegeister langsam auf. Den ganzen Tag werden wir von den Mücken begleitet, aber auch von vielen Rentieren. Auf ersteres könnte man natürlich verzichten. Wir dachten, die sterben wenn Frost ist.

Wissen sie wahrscheinlich nicht. Wenn Wind kommt, sind die Mücken auf einen Schlag weg, dafür ist es aber eisig. Uns kann man es auch nicht recht machen ;). Dann kommt die Sonne wieder raus, verrückt. Grandioses Panorama begleitet uns durch den Tag!

Zum Wechselspiel kommt dann noch Nieselregeln dazu. Spätestens jetzt kommen die Gedanken auf, dass man nicht mehr warm und trocken wird. Den Mücken verdanken wir einen Tag ohne große Pause, da diese über einen herfallen, sobald man stehen bleibt. Der Mückenhut hilft hier nur bedingt. Dafür hilft der Poncho nicht nur den Nieselregeln abzuhalten, sondern auch den eisigen Wind. Modisch ist er nicht wirklich, aber man kann ja nicht alles haben. 🙂

Das Etappenziel kommt in Sicht. Wir freuen uns, uns ein wenig aufzuwärmen und eine schöne lange Pause in der Hütte zu machen. Denkste! Die Hütte ist sehr klein und proppenvoll. Wir haben keine Lust uns hier mit dazuzuquetschen und entschliessen weiterzugehen und direkt einen Zeltplatz zu suchen.

In Sichtweite der Hütte finden wir ein schönes Plätzchen und verkriechen uns im Zelt.

Tag 10 – 1km nach Nerumaq Hütte – 3km vor Hütte am Fjord Kangerluarsuk Tülle (14 km)

Der Morgen ist kalt und grau. Trotz der kalten Temperaturen sind die Mücken mit uns aufgewacht, also schnell fertig machen und los! Aufgrund der kalten Temperaturen hatten wir Kondensfeuchte im Zelt – da sparen wir uns gleich den Arbeitsgang, das Innenzelt extra zu verpacken, ist eh nass.

Heiko steckt seine frischgewaschenen Füsse in seine noch nassen Socken, brrrr!! Noch ist das für Alex unvorstellbar, aber 1/2h nach dem loslaufen sind auch bei Alex Füsse und Socken wieder nass. Spätestens jetzt überdenken wir nochmals die Wahl unserer Treckingschuhe. Sicherlich sind diese leichter als knöchelhohe Wanderschuhe, aber ggf. wären diese dichter. Na, für jetzt hilft das eh nicht mehr.

Im Buch wird die Etappe so beschrieben: “Mannshohe Kriechweiden wechseln sich ab mit malerischen Wollgrasfeldern!” Das mit den Kriechweiden kann man so bestätigen. Aber “malerische Wollgraswiesen”? Das ist ein Euphemismus für “MatschePatsche”! Malerische Wollgraswiesen, pfff!

Der Weg war begleitet von M&M = Matsch&Mücken. Nach zwei Flussüberqerungen, die nur Superman ohne eintauchen geschafft hätte, lohnt es sich nicht mehr den Matschlöchern auszuweichen. Vielleicht noch ein persönlicher Exkurs zu nassen Füssen: Morgens sind die Füße warm und trocken. Dann zieht man die oft noch feuchten Socken und die sicherlich noch feuchten Schuhe an. Üblicherweise trifft man nach kurzer Zeit eine morastige Wiese an. Trotz elegantem Hüpfen von Grasbüschel zu Grasbüschel endet das in 98% der Fällen mit dem knöcheltiefen eintauchen in ein Sumpfloch, was bei Treckingschuhen bedeutet, dass das Wasser von oben in den Schuh läuft. Man läuft weiter, irgendwann wärmt sich dass Wasser im Schuh bis zur Körpertemperatur auf. Bis eine Flußüberquerung kommt oder eine neue Morastwiese bei der das dann kalte Wasser wieder in den Schuh läuft. Abends bemüht man sich dann die Füße wieder warm und trocken zu bekommen, usw., usw.


All das vergisst man aber sofort wieder, wenn man sich umschaut und die grandiose Natur sieht. Wenn dann noch, wie an diesem Tag die Sonne herauskommt und ein strahlenblauer Himmel über uns lacht – dann sind die Füsse sofort vergessen. Spannenderweise sind weder Heiko noch ich trotz herumlaufen in arktischer Kälte mit nassen Füßen krank geworden.

Wir kommen an einen wunderschönen See, unglaublich klar mit Traumpanorama. Wir ignorieren die Mücken und beschliessen diesen Traumplatz als Übernachtungsplatz zu nutzen. Es sind soviele Saiblinge im See, dass man wahrscheinlich gar keine Angel bräuchte um einen zu fangen. Da dieser Platz aber überhaupt kein Holz bietet, verzichten wir schweren Herzens auf diese Erweiterung unseres Speiseplans. Wir wagen uns zum Waschen in’s eiskalte Wasser und geniessen das Traumpanorama.

Tag 11 – 3km vor Hütte am Fjord Kangerluarsuk Tulleq – Irgendwo vor dem Abstieg in’s Tal vor Sisimiut (15km)

Die Sonne weckt uns, kein Wind, also sicherlich Mücken. Die können uns aber nicht diesen strahlenden Tag vermiesen. Die Mückenhüte helfen uns beim Zeltabbau und dann geht es los! Den zweiten Kaffee nehmen wir in der Hütte am Fjord, plaudern ein wenig. Nach der Hütte folgt ein 1,5 stündiger, steiler Aufstieg, der aber mit einer traumhaften Sicht auf den See auf der einen Seite und den Fjord auf der anderen Seite belohnt wird.

Die nächsten Stunden geht es durch bizarr anmutende Felsformationen mit vielen kleinen Wasserfällen. Wir genießen unseren letzten vollen Tag und freuen uns, dass wir den Trail noch nicht verlassen müssen.

Kurz vor dem Abstieg in’s Tal finden wir ein phänomenales Plätzchen zwischen Felsen und kleinem Wasserfall. Hier richten wir es uns ein für die letzte Nacht auf dem Trail.

Tag 12 – Irgendwo – Sisimiut (13km)

Die Nacht brachte ein Sturmtief mit sich. Das Zelt hat sich so bewegt, dass wir sicher waren, es reißt. Alex malte sich auch sehr lebhaft aus, wie sich Felsbrocken vom Wind lösen und das Zelt durchschlagen. Dass dieser Block geschrieben wurde, beweist, dass das Gottseidank nicht passiert ist. Die ganze Nacht über hielt der Wind an und uns von Schlaf ab. Heiko’s Hoffnung, dass mit Sonnenaufgang auch der Wind nachlassen würde, hat sich nicht bestätigt. Was nun? Wir packten die Rucksäcke und dann in Windeseile das Zelt – neuer Rekord!

Eisig! Der Wind war so stark, dass man sich gegen die Böen lehnen musste, um nicht umgeblasen zu werden. Das zeigte ein anderes Gesicht vom grönländischen Wetter und ließ einem die Urgewalt der Natur bewusst werden. Habe ich erwähnt, dass dieses Wetter natürlich Kaffee und Frühstück ausfielen lies? Wir rennen schier in’s Tal, leider lässt auch hier der Wind nicht nach. Bei der anstehenden Flußüberquerung, die Heiko mit Steinehüpfen trockenen Fußes überquert, muss Alex in’s Wasser um einen Sturz zu vermeiden. Ganz toll, das haben wir gerade noch gebraucht.

Der Kretzpegel steigt, Heiko bleibt angesichts der drohenden “Alex-Bombe” gelassen und flösst ihr bei erster Gelegenheit Kaffe und ein gefrorenes (richtig gelesen, gefrorenes) Snickers ein. G-E-F-R-O-R-E-N-E-S Snickers! Habe ich erwähnt, dass Schnee lag und die Füße/Socken/ Schuhe nass waren?

Das Behelfsfrühstück hilft ungemein und die letzten Kilometer fliegen wir fast (vom Wind getragen und von der Hoffnung, dass dadurch die Füße warm werden) bis Sisimiut in Sicht kommt.

Plötzlich wird uns bewusst, dass damit auch das Ende dieses gigantischen Urlaubes in Sicht kommt. Ein wenig melancholisch gehen wir die letzten Kilometer. Die Melancholie verfliegt mit der Aussicht auf einer warmen Dusche und Bier und Burger im Hotel Sisimiut! Göttlich!!

Neben den unglaublich vielen Eindrücken, der traumhaften Landschaft, der Zweisamkeit, der “ohrenbetäubenden” Stille, haben wir wieder ein paar (nicht ganz ernstgemeinte) Learnings gezogen:

  • …der arktische Wind in Grönland kann kalt sein!
  • …während andere ihre Zelte halten müssen, können wir auch im Sturm darin liegen!
  • …Polarfüchse “hoppeln”!
  • …Enten heulen wie Wölfe!
  • …je größer der Saibling, desto länger braucht er bis er gar ist!
  • …ein Snickers macht noch keinen “Treat”!
  • …Gepäck fliegt teuer, obwohl es weder isst noch trinkt!
  • …egal wie weit wir laufen, am Ende sitzen wir immer im teuersten Restaurant!
  • …ein Knie muss beim bergab laufen nicht schmerzen!
  • …Schneehasen sind auch im Sommer weiß
  • …wenn die Google Suche nach “einsam” einen Trail ausspuckt, haben den sicherlich schon andere gefunden!

The End!

2019-10-06T12:37:48+02:00